Vita

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Vita

Heinz-Hermann Jurczek, geb. 1954 in Bochum
1972-1977 Studium an der Gesamthochschule, Universität Essen, ehemalig Folkwang, Fachbereich 4, Kunsterziehung und Gestaltung, Malerei
1977-2004 Tätigkeit als freier Maler in Düsseldorf und Duisburg
1993-2004 Leiter der Grossen Kunstausstellung NRW Düsseldorf
2000 Gastdozent an der Kunstakademie in Vilnius, Litauen
2004 Gastaufenthalt Shenzhen Fine Art Institute, Shenzhen, VR. China
2005 Umzug nach Litauen
2007-2011 Gastdozent an der Kunstakademie in Vilnius, Litauen
2012 Umzug nach Berlin

Einzelausstellungen, Auswahl

1980 Galerie Koppelmann, Leverkusen
1983 Galerie am Schlosswall, Osnabrück
1985 Galerie Gabi Kraushaar, Düsseldorf
1992 Forum Vebikus, Schaffhausen, Schweiz Städtische Galerie im Museum Folkwang, Essen
1996 Galeria Krytykow Pokaz, Warschau, Polen
1998 Galerie der Kunstakademie Vilnius, Litauen Čiurlionio Museum, Kaunas, Litauen
2000 Galerie Baal, Bielefeld
2002 Museum der Kunstakademie Xian, VR. China, Museum Zhu Qi Zhan, Shanghai, VR. China Die Enge, Installation im Museum der Stadt Lüdenscheid
2003 Galerie der Stadt Remscheid, Remscheid
2008 Galerie Vartai, Vilnius, Litauen Čiurlionio Museum, Žilinskas Galerie, Kaunas, Litauen Galerie Meno Parkas, Kaunas, Litauen Galerie NB, Viborg, Dänemark
2009 Galerie NB, Roskilde, Dänemark Galerie der Kunstakademie, Vilnius, Litauen
2010 Galerie Alma, Riga, Lettland Antanas Mončys Museum, Palanga, Litauen
2012 Galerie Walter Bischoff, Berlin
2018 Museum Kesselhaus Herzberge, Berlin
2020 Kulturbund Treptow, Berlin

Gruppenausstellungen, Auswahl

1977 Forum junger Kunst, Museum Bochum und Städtische Galerie Wolfsburg 1977-2003 Grosse Kunstausstellung NRW Düsseldorf, Kunstpalast Düsseldorf 1978 Westdeutscher Künstlerbund, Karl- Ernst- Osthaus- Museum,Hagen
1983 41 Künstler aus der BRD, Zentrales Künstlerhaus, Moskau, UdSSR
1984 80 von 400, Mathildenhöhe Darmstadt
1985 Forum junger Kunst, Museum Bochum und Städtische Galerie Wolfsburg 1988 Zwischenbilanz, Kunstverein Krefeld, Museum Baku, Baku, UdSSR
1990 Knotenpunkt, 32 Künstler aus Düsseldorf und Chemnitz, Neue Chemnitzer Kunsthütte, Chemnitz Künstler aus NRW, Kulturzentrum Kammgarn, Schaffhausen, Schweiz Kunstminen, Kunstmuseum Düsseldorf 1993
Darmstädter Sezession, Mathildenhöhe Darmstadt
1994 Wir hier, Westdeutscher Künstlerbund, Kunsthalle Recklinghausen
1995 Darmstädter Sezession, Mathildenhöhe Darmstadt Grosse Kunstausstellung München; Haus der Kunst, München
1996 Im Zusammenhang der Dinge, Museum Bochum
1999 Künstler und Künstlerinnen aus NRW, Yang Huang Art Museum, Peking, He Xianguing Art Gallery, Shenzhen, VR. China
2000 Dialogausstellung, Japan Jahr, Teloy Mühle, Meerbusch Westdeutscher Künstlerbund, Museen der Stadt Lüdenscheid
2001 Koreanisch-Deutsche Künstler, Städtisches Museum Seoul, Korea
2002 Godo Galerie, Seoul, Korea Kein Strich zuviel, Städtische Galerie Lüdenscheid
2003 Beijing International Art Biennale, Beijing, VR. China
2004 Hommage a Leoš Janáček, Haus der Kunst Brünn, Tschechien 12. Malerei Triennale, Contemporary Art Centre, Vilnius, Litauen
2007 13. Malerei Triennale, Contemporary Art Centre, Vilnius, Litauen
2008 Vilnius Art Scene after 2000, Latvian National Museum of Art, Riga, Lettland
2012 Künstler aus Vilnius, Werkstattgalerie, Berlin

Arbeiten im öffentlichen Besitz

Museum Kunstpalast Düsseldorf, Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg, Museen der Stadt Lüdenscheid, Museum Bochum, Ministerium für Kultur NRW, Landtag NRW, Düsseldorf, LVA Rheinland, Düsseldorf, Wehrbereichsverwaltung Düsseldorf, Direktion Telekom, Düsseldorf, Neuss, Duisburg, Bundessprachenamt Hürth, Museum Zhu Qi Zhan, Shanghai, China, Čiurlionio Museum, Kaunas, Litauen, Modernaus Meno Centras, Vilnius, Litauen

Bibliografie

Volker Adolphs, Ausstellungskatalog Kunstminen, Kunstmuseum Düsseldorf, Malerei zwischen Abstraktion und Figuration, Expressivität und Konzept, Düsseldorf,1990 Christian de Nuys-Henkelmann, Marmorrosen, Ausstellungskatalog, Städtische Galerie im Museum Folkwang, Essen, 1992 Dagmar Schenk-Güllich, Zitate voller Form und Farbe, Jurczek-Arbeiten im Folkwang-Museum, NRZ, 1992
Jerzy Brukwicki, Heinz-Hermann Jurczek, malarstwo, Ausstellungskatalog Galeria Krytykow Pokaz, Warszawa, Polen, 1996
Peter Klucken, Leuchtende Farbräume, Heinz-Hermann Jurczek im Künstlerhaus Duisburg, Rheinische Post, Duisburg, 1996
Raminta Jurėnaitė, Erdvės Realistas Heinzas-Hermannas Jurczekas, Kultūros barai, Vilnius, Litauen, 1998
Manfred Bade, Räume, in denen sich Zeiten mischen, Düsseldorfer Hefte, Düsseldorf, 2000
Fiona Schmidt, Drunter und Drüber, Neue Westfälische Zeitung, Bielefeld, 2000
Felicitas Müller, Katalog, Kunst, Bestandskatalog, LVA Rheinprovinz, Düsseldorf, 2002 Raminta Jurėnaitė, Bildwelten aus urbanen Landschaften, Ausstellungskatalog Heinz-Hermann Jurczek zur Ausstellungsreihe in der VR. China, Duisburg, 2002
Frank Becker, Das funktioniert nur in Groß, Heinz-Hermann Jurczeks Arbeiten in der Städtischen Galerie Remscheid, RGA, Remscheid, 2003
Christian Peiseler, Surfen durch die Welt der Formen und Farben, Bergische Morgenpost, 2003
Raminta Jurėnaitė, Heinzo-Hermanno Jurczeko Improviziacijos, Kultūros barai, Vilnius, Litauen, 2008
Milda Žvirblyte, Nekonkretus konkrecios realibes fragmentai, daile, 2008/1, art, Vilnius, Litauen 2008
Armina Jonušaitė, Tylus susitaikymas, Literatūra ir Menas, Vilnius, Litauen, 2008
Rūta Mikšioniene, Sostinės Vartų galerijoje vokiečiu menininkas, Lietuvos rytas, Vilnius, Litauen, 2008
Raminta Jurėnaitė, Heinz-Hermann Jurczek’s Improvisation on the Theme of Fall of Images, Ausstellungskatalog Galerija Alma, Riga, Lettland 2010
Sofija Kale, Harmonised cacophony, Studija, Visual Arts Magazine, Riga, Lettland, 2010
Eckhard J. Gillen, Gemalte Dramolette aus der Retorte der Moderne, Text zur Ausstellung in der Galerie Walter Bischoff, Berlin, 2012

Gemalte Dramolette aus der Retorte der Moderne
Anmerkungen zu Heinz-Hermann Jurczeks gemalten Collagen

Heinz-Hermann Jurczek, geboren 1954 in Bochum, zeigt sich in seinem reich facettierten, selbst für Spezialisten seines Werkes kaum noch überschaubaren Bilderkosmos als souveräner Erbe aller Strömungen der Abstraktion im 20. Jahrhundert: Suprematismus, Konstruktivismus, Neoplastizismus, Konkrete Kunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie Tachismus/Informell, Colourfield Painting in den 50er, Hard Edge und Op Art in den 60er und NeoGeo in den80er Jahren. Wie aktuell diese abstrakte Malerei immer noch ist, auch 50 Jahre nach der „Neuen Figuration“ (Hans Platschek, 1959) und dem Einbruch der Pop art in die Domäne des Abstrakten Expressionismus und des Informel, daran erinnern, z. B. das Themenheft „Neue Abstraktion“ der Januar-Februar-Nummer 2011 des Kunstforums.
Jurczeks Studium in Essen 1972 bis 1976 an der Folkwang-Schule, die 1928 als Folkwangschule für Gestaltung gegründet worden war, brachte ihn in Berührung mit der Idee einer universalen künstlerischen Ausbildung von Fotografen (Otto Steinert), Bildhauern, Malern, Grafikern und Designern (Wilhelm August „Willy“ Fleckhaus) mit Musikern, Tänzern (Pina Bausch) und Schauspielern in Essen-Werden, bevor der Fachbereich Bildende Kunst an die Universität Essen ausgegliedert wurde. Nach seiner Ausbildung ließ sich Jurczek in Düsseldorf und Duisburg nieder und übersiedelte 2005 nach Vilnius in Litauen. Heinz-Hermann Jurczek erinnert sich noch gut an eine der ersten Ausstellungen des 1960 in seiner Heimatstadt als städtische Kunstgalerie gegründeten Kunstmuseums Bochum mit Werken der Op Art und Farbfeldmalerei von Bernd Damke, Winfred Gaul, der das Informel zu einer ‚analytischen Malerei’ voller plakativer „Signale & Verkehrszeichen“ entwickelte, und Peter Brüning. Anregend für die Entwicklung von Jurczeks späteren künstlerischen Verfahren erwiesen sich vor allem die geometrisch stilisierten Landschaften Peter Brünings aus der Vogelperspektive, über die sich elegant geschwungene Straßenbänder mit Kreuzungspunkten wie bunte Schleifen winden. Brüning, Jahrgang 1929, der 1970 in Düsseldorf früh verstorben ist, entwickelte seit 1964 aus der informellen Malerei diese an stilisierte Straßenkarten in Signalfarben erinnernden Bilder. Bemerkenswert ist die Polarität zwischen organischen und konstruktiv-technischen Formen. Noch vor seinem Studium kam Jurczek mit dieser Malerei in Berührung, die
das Organische und Spontane der informellen Kunst aus den 50er Jahren mit den harten Kanten und geometrischen Feldern der Hard Edge Malerei und der Op Art der 60er Jahre verbunden hat.
Ausgangspunkt von Jurczeks künstlerischer Methode war das Collagieren mit präparierten Seidenpapieren, Aquarell und Bleistift auf Nessel, das einen eigenen, umfangreichen Werkkomplex bildet. Später übertrug er dieses Collageprinzip auf die Arbeit an der Leinwand mit Acryl. Wie auf einer imaginären Bühne führt er unbeirrt immer neue Szenen seiner visuellen Dramolette auf. Massive geometrische Körper, feinste Liniengeflechte, spitzwinklige und stumpfe Formen, Hohlformen und metallisch glänzende Flächen, warme und kalte Farben stehen in ständiger Spannung zueinander, lassen das Auge nicht zur Ruhe kommen. Diese Bilder sind mit dem Rücken zur Natur, zur Landschaft, zur gebauten Stadt entstanden. Kein Naturstudium trübt ihre Künstlichkeit. Die Bildfläche ist kein Fenster zur Außenwelt mehr. Heinz-Hermann Jurczeks Malerei ist im besten Sinne eine vom Gegenstand, von der Umwelt abstrahierende, konstruierte und zugleich vor seinem schöpferischen Auge imaginierte Kunst. Seine non-figurativen Werke sind keine abstrakt-konkreten, geometrischen, in sich ruhenden, auf das Absolute zielenden Kompositionen im Sinne von Malewitschs Bildkonzept der Ikone als Andachtsbild der reinen Form. Eher folgt er mit seinen messerscharfen entlang der Reißschiene des Ingenieurs oder Entwerfers gezogenen Linien dem Konzept von Rodschenko, der als Künstler-Ingenieur das Technische, mathematisch Berechenbare betonte. Der Gedanke des steten Fortschritts im Sinne eines Fortschreitens der Menschheit, wie ihn u.a. die sowjetischen Avantgarden des vergangenen Jahrhunderts vertreten haben, ist ihm jedoch fremd. Zustimmung oder Kritik am Zustand der Welt ist nicht sein Thema. Seine Bilder sind keine Blaupausen einer zukünftigen besseren Welt. Sie sind im wörtlichen Sinne U-topien und sollen es auch bleiben.
Jurczeks Gemälde zeigen frei flottierende Trümmer einer zerstörten Welt, die buchstäblich aus den Fugen geraten ist und deren technische Instrumente sinnlos, aber faszinierend durch den schwerelosen Raum schweben. Im übertragenen Sinn ist es auch der Kosmos der modernen, der abstrakten Kunst, die Chaos gegen Ordnung, Zufall gegen Konstruktion, fließende gegen geometrische Formen ins Spiel bringt, der hier dekonstruiert und remixed wird.
Immer wieder variieren seine Bilder weite, sich in den Tiefenraum erstreckende, organische Formen, die an mikrobiologische Aufnahmen von Zellkernen, aber auch an Planeten- und Mondoberflächen, wie sie uns die künstlich eingefärbten Satellitenbilder und Telescope liefern, erinnern. Diese organisch geschwungenen oder gemusterten Bildelemente werden konterkariert bzw. verstellt von technischen Geräten, Türmen mit Messgeräten, Barrikaden (vgl. z.B. „Power Transmission II“, 2009, Acrylic on Canvas, 200 x 180 cm). Seine Re-Interpretationen schaffen eine eigenwillige Synthese aus organischen Natur- und Landschaftsformen und technisch geometrischen Gestellen und ornamentalen Flächenmustern. Aus diesem bipolaren Spannungsverhältnis entwickelt jedes Bild eine innere Dynamik, die bis an die Schmerzgrenze der Wahrnehmung reicht.

Berlin, den 2. Februar 2011 Eckhart J. Gillen